Abschlußbericht 2012

Fortsetzung der Zwischenergebnisse.

AP3: Patientenrekrutierung und Stimulation

Die Patientenrekrutierung konnte wie geplant nach Abschluss der Erfassung der historischen Gruppe und der gleichzeitigen Entwicklung der Software für den Stimulator begonnen werden. Nach Einschluss der Probanden wurde nach Einholung der Einwilligungen mit der Stimulation begonnen. Es wurden insgesamt 10 Probanden eingeschlossen. Ein Proband hat die Studie abgebrochen, da er nicht von dem Erfolg der Stimulation überzeugt war. Die Integration der Stimulation in den Klinikalltag gelang zu Beginn nicht immer reibungslos. Während die Stimulation auf der Intensivstation ohne Problem verlief, war die Integration der Stimulation in den Stationsablauf in manchen Situationen schwierig. Da die Stimulation pro Tag insgesamt zwei Stunden in Anspruch nahm, kam es zu Kollisionen mit der üblichen Stationsroutine. Nach Auswertung der ersten Patienten und durch Rückmeldungen der Patienten nahm die Akzeptanz auf den Stationen bald zu.

AP4: Nachuntersuchung

Die Patienten mit einer Stimulation werden durch den Studienarzt 3 und 6 Monate nach Ende der Stimulation nachuntersucht. Besonderer Schwerpunkt ist dabei die Entwicklung der pulmonalen Parameter. Dabei werden klinische Parameter und Parameter der Atemphysiologie erfasst.  Die Nachuntersuchungen sind noch nicht abgeschlossen, da sie über den Zeitraum der Studie hinausreichen. Bisher konnten keine Pneumonien gesehen werden. Eine abschließende Bewertung steht noch aus.

AP5: Auswertung

Die Auswertung der Daten im Rahmen der retrospektiven Studien, der Zwischenauswertung und nach Abschluss der Studie erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für klinische Forschung am ukb. Die Zielparameter wurden im Rahmen der Studienhypothesen formuliert und sollen durch die retrospektive Studie verifiziert werden. Die statistische Auswertung ist nahezu abgeschlossen und die Ergebnisse werden in diesem Bericht zusammengefasst (siehe Ergebnisse Gesamtprojekt und Anhang).

AP6: Veröffentlichung der Ergebnisse

Die technischen Details der Stimulation wurden auf der Konferenz für Biomedizinische Technik (BMT 2012) in Jena vorgestellt (Schauer T, Stephan R, Niedeggen A, Liebscher T, Dorien J, Seidl RO (2012) Breathing synchronized electrical stimulation of the abdominal muscles in patients with acute tetraplegia. Biomed Tech, 57(Suppl. 1), 2012). Die weiteren Ergebnisse werden zur Zeit in einer Promotion an der HU Berlin verarbeitet, eine Veröffentlichung ist in der Vorbereitung.

Ergebnisse des Gesamtvorhabens

Historische Gruppe

Es konnten über den Zeitraum von 2002 bis 2009 insgesamt 37 Patienten in die Studie eingeschlossen werden. Von diesen Patienten erlitten 20 (54,3%) der Patienten eine Pneumonie in den ersten 90 Tagen der Behandlung. Die Zunahme einer Vorerkrankung erhöhte dabei die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Pneumonie um das 2-fache. Weitere Zusammenhänge konnten nicht gefunden werden. Die weitere Auswertung der Daten findet sich im Anhang.

Experimentelle Gruppe

In der experimentellen Gruppe wurden insgesamt 11 Patienten eingeschlossen, wobei 9 Patienten die Studie beendeten. Ein Patient brach die Studie ab, ein weiterer wurde vor Ende der Studie verlegt. Von den 9 verbliebenen Patienten erlitt kein Patient während der Stimulationsphase eine Pneumonie, obwohl die Anzahl der Vorerkrankungen in der Stimulationsgruppe signifikant höher war als in der historischen Gruppe. Die weiteren Daten finden sich im Anhang.

Vergleich historische und experimentelle Gruppe

Um die Vergleichbarkeit der experimentellen mit der historischen Gruppe zu prüfen, wurden die Werte, die Einfluss auf die gewählten Studienparameter haben, verglichen. Es gab einen statistisch signifikanten Unterschied bei der Anzahl der Vorerkrankungen zwischen den Gruppen. Der Mittelwert der Vorerkrankungen in der experimentellen Gruppe lag doppelt so hoch wie in der historischen Gruppe. Dies ist sicher Folge des steigenden Alters der Erkrankten. Keine statistisch signifikanten Unterschiede gab es bei Alter, Größe, Gewicht, Lähmungshöhe  und -ursache, ASIA-Klassifikation und Begleitverletzungen. Dabei lagen alle Mittelwerte (Alter, Gewicht, BMI, Begleitverletzungen und Begleiterkrankungen) sowie die Lähmungshöhe und die Ausprägung der Lähmung in der experimentellen Gruppe höher. Damit kann die experimentelle Patientengruppe als stärker eingeschränkt gegenüber der historischen Gruppe beschrieben werden. Nach den bisherigen Vorstellungen zur Pathogenese der Pneumonie bei Patienten mit einer kauten Tetraplegie hätten in der experimentellen Gruppe mehr Pneumonien auftreten müssen.

Beatmungsparameter

Die automatische Protokollfunktion des Stimulatorprogramms ermöglichte es, den Einfluss der abdominellen Stimulation auf die ermittelten Atemwegparameter kontinuierlich zu überprüfen. Geprüft wurden Dauer, Volumen und Peak-Flow bei In- und Exspiration, wobei die Stimulation die Exspiration unterstützte. Ausgewertet wurden die Mittelwerte über alle Patienten der Mittelwerte der beiden Stimulationen an einem Tag.

Vergleich erster und letzter Tag

Über den Verlauf kommt es bei allen Parameter zu einer Besserung der Werte, statistisch signifikant war dies beim Peak-Flow (In- und Exspiration) mit 100% Stimulationsintensität. Dies kann als Hinweis für eine Besserung der muskulären Möglichkeiten angesehen werden. Über den Studienverlauf ist es zu einer Zunahme der stimulierbaren Muskulatur gekommen.

Vergleich der Stimulationsintensität

Geprüft wurde, ob die unterschiedlichen Stimulationsintensitäten (0%, 60% und 100% der maximal aushaltbaren Stimulationsintensität) Einfluss auf die Atemwegparameter hat. Die Mittelwerte zeigen, das es durch die Stimulation zu den gewünschten Effekten kommt, die Dauer der In- und Exspiration nimmt unter Stimulation ab, das Volumen und ebenso der Peak-Flow zu. Statistisch signifikant auf dem 0,1-Niveau ist dies beim Peak-Flow (Inspiration und Exspiration ).

Vergleich der Stimulationsdurchgänge

Geprüft wurde die Erschöpfung der Probanden während eine Stimulation (0%-60%-100%-0%-60%-100%-0% Stimulationsintensität) durch einen Vergleich des ersten mit dem zweiten Stimulationsdurchgang. Auch wenn es geringe Abweichungen in den Mittelwerten gab, kam es zu keinen statistisch signifikanten Änderungen zwischen dem ersten und dem zweiten Stimulationsdurchgang. Eine Erschöpfung der Muskulatur, die zu einer signifikanten Abnahme der Atemwegparameter führt, ist nicht aufgetreten.

Probandenbefragung

Zur Evaluation der Stimulation wurden die Probanden im Abstand von 14 Tagen mit einem standardisierten Fragebogen zu ihrer Erfahrungen mit der Stimulation befragt. Auffällig dabei war, dass ca. 33% der Probanden Schwierigkeiten bei der Stimulation angaben (keine Besserung, Belästigung durch die Stimulation etc.) und 66% einen guten Erfolg bzw. eine Besserung der Beschwerden angaben. Diese Probanden wünschten auch eine Fortsetzung der Stimulation nach Ende der Studie. Schmerzen oder weitergehende Komplikationen wurden von allen Probanden verneint.

Komplikationen durch die Stimulation

Durch die Stimulation kam es über den gesamten Zeitraum zu keinen Komplikationen. Einzig eine geringe Hautrötung konnte direkt nach der Stimulation beobachtet werden. Ein Abbruch der Stimulation auf Grund von Problemen oder Komplikationen mit den Stimulationsgeräten, der Stimulation oder durch den Patienten trat nicht auf. In einer Befragung gaben die Probanden keine Schmerzen und zusätzlichen Krankheitssymptome durch die Stimulation an.

Beantwortung der Studienfragen

Eingeschränkt werden die Ergebnisse durch die kleine experimentelle Studiengruppe. Die proof-of-concept-Studie konnte nach neun Patienten ohne eine Pneumonie abgeschlossen werden. Damit ist ein echter Vergleich zwischen der experimentellen und der historischen Gruppe nur sehr eingeschränkt möglich.

·         Reduktion von pulmonalen Infekten und Pneumonien

Dieses Ziel konnte erreicht werden. In dem Stimulationszeitraum traten bei den eingeschlossenen Patienten, die die Studie beendeten, keine Pneumonien auf. Die Kosten für die Antibiotikabehandlung konnten auf die Hälfte reduziert werden.

·         Verkürzung des Weaning

Diese Frage konnte aufgrund der kleinen Gruppe und den Beschränkungen in der Dokumentation der historischen Gruppe nicht beantwortet werden.

·         Verkürzung des stationären Aufenthalts (Intensiv- und Normalstation)

Diese Frage kann noch nicht abschließend beantwortet werden. Die Liegezeit der Patienten auf Normalstation erstreckt sich über den Verlauf dieser Studie und des Förderzeitraums hinaus. Ein Unterschied in den mittleren Liegezeiten auf der Intensivstation konnte zwischen den Gruppen nicht gefunden werden. In beiden Gruppen fand sich ein Einfluss der Anzahl der Vor- und Begleiterkrankungen auf die Liegezeit. In der historischen Gruppe hatte zusätzlich die Dauer der Beatmung Einfluss, diese ist aber bei einer Pneumonie verlängert.

·         Reduktion von Morbidität und Mortalität.

Auch diese Frage kann nicht abschließend beantwortet werden, da die experimentelle Gruppe zu klein ist. Todesfälle hat es bisher in der experimentellen Gruppe nicht gegeben.

·         Reduktion der Behandlungskosten

Dieser Punkt kann noch nicht abschließend beurteilt werden, da die Dauer der stationären Aufenthalte noch nicht abschließend berechnet werden kann. Allerdings ist zu bedenken, dass die Liegezeit vor allem durch die Rehabilitation des Patienten bestimmt wird und nicht alleine durch die Behandlung der Erkrankung. Bei einer Berechnung der Kosten für Antibiotika zeigten sich im Mittel in der historischen Gruppe für Patienten mit einer Pneumonie Kosten von 888,24€, in der experimentellen Gruppe bei den Patienten von 462,23€. Die Kosten haben sich durch die Minimierung der Zahl der Pneumonien halbiert.