Forschungsvorhaben

1.  Problemstellung

Patienten mit einer hohen Querschnittslähmung im Bereich des Halsmarkes  erkranken überdurchschnittlich häufig an pulmonalen Infekten (Fishburn, Marino, und Ditunno 1990; Lemons und Wagner 1994). Die Ursache liegt in der Lähmung bzw. Schwäche der Atem- und Atemhilfsmuskulatur. Den Betroffenen fehlt unter anderem die Kraft für einen suffizienten Hustenstoß. Das Bronchialsekret kann nicht mobilisiert werden, und die Clearence der Lunge ist deutlich eingeschränkt. Minderbelüftungen mit einer Verschlechterung des Gasaustausches und die Entstehung von pulmonalen Infekten sind die Folge (Lemons und Wagner 1994). Aufgrund dieser rezidivierenden pulmonalen Infekte müssen 60 – 80% der Patienten neben einer medikamentösen Therapie häufig stationär oder bei respiratorischer Insuffizienz mit Beatmungspflichtigkeit sogar in der Intensivstation aufgenommen und behandelt werden. Die Mortalität und Morbidität, aber auch die Therapiekosten sind durch die pulmonalen Infektionen deutlich erhöht (Berlly und Shem 2007, Lucke 1998). Diese Mechanismen betreffen sowohl akut erkrankte Patienten, als auch Patienten mit einem länger zurück liegenden Unfallereignis (Cardenas u. a. 2004).

Für Patienten mit einer Rückenmarkverletzung in Höhe C1-C2, die aufgrund der Zwerchfell-Lähmung ein Beatmungsgerät (Respirator) benötigen, besteht die Möglichkeit der Implantation eines elektrischen Zwerchfellstimulators (Hirschfeld u. a. 2008). Dieses Verfahren ermöglicht den Patienten eine größere Unabhängigkeit vom Beatmungsgerät. Im Gegensatz dazu haben Patienten mit einer Verletzung des Rückenmarks in Höhe C4-C6, die die größte Gruppe der Patienten mit einer Tetraplegie darstellen, eine intakte, nervale Versorgung des Zwerchfells, leiden aber unter der fehlenden Unterstützung durch die gelähmte Atemhilfsmuskulatur. Eine Spontanatmung ist bei den Betroffenen eingeschränkt möglich- Ein suffizienter Hustenstoß fehlt jedoch meistens, so dass die beschriebenen, rezidivierenden pulmonalen Infekte auftreten (Lemons und Wagner 1994). Für diese Gruppe von Patienten existieren bisher keine etablierten Unterstützungssysteme.

In Rahmen einer Promotion wurden retrospektiv die Daten von 175 im Unfallkrankenhaus Berlin behandelter Patienten mit Halswirbelsäulenverletzungen und Rückenmarkschädigung aus dem Zeitraum von 1997 bis 2002 untersucht. Es traten Lähmungen in Höhe C4 bis C6 am häufigsten auf. Die Mortalität dieser Gruppe betrug 11,4 %, wobei die Pneumonie mit 52,4% die Haupttodesursache darstellte (Seidl u. a. 2010).

70,8 % der in der 175 eigenen Studie behandelten Patienten mussten durchschnittlich 17,8 Tage bei Komplikationen bis zu 39,1 Tagen in der Intensivstation (ca. 1500 € pro Tag Intensivbehandlung) therapiert werden. Die gesamte stationäre Behandlungsdauer betrug im Durchschnitt 170 Tage (ca. 550€ pro Tag Normalstation). Ist eine erneute stationäre Behandlung aufgrund einer Pneumonie erforderlich, fallen Kosten für einen durchschnittlichen Aufenthalt von 18 Tagen in Höhe von ca. 10.000 € an. Diese Zahlen verdeutlichen unabhängig vom Schicksal der Betroffenen die immensen Behandlungskosten. Berney et. al. konnten durch die Verbesserung des pulmonalen Managements eine Kostenreduktion im stationären Bereich von bis zu 65 % nachweisen (Berney u. a. 2002).

In Pilotstudien konnte über eine elektrische Stimulation der abdominellen Atemhilfsmuskulatur mit Hautelektroden eine Steigerung des Ausatemvolumens sowie eine Erhöhung des Hustenstoßes erzielt werden. (H. Gollee u. a. 2008). Dieses Verfahren ist eine neue Möglichkeit zur Atemunterstützung und Verbesserung des Hustenstoßes, dass in der geplanten prospektiven Studie auf seine Effektivität an Patienten mit Rückenmarkschädigung in Höhe C4 – C8 geprüft werden soll.

Ließen sich durch dieses Verfahren die pulmonalen Infekte, die Entwöhnung vom Beatmungsgerät und die stationäre Liegezeit reduzieren, ist neben der Verbesserung von Mortalität und Morbidität, mit deutlicher Kostenreduktion zu rechnen.

2.  Stand der Erkenntnis

Den zur Zeit besten Überblick gibt eine Metaanalyse zu den Möglichkeiten des Atemwegsmanagements bei Patienten mit Rückenmarkverletzungen (Berney u. a. 2010). Es zeigte sich, das die regelmäßige Durchführung eines standardisierten Therapieschemas in der Lage ist die pulmonalen Komplikationen, die Mortalität, die Beatmungsdauer sowie die Zahl der Intensivaufenthalte zu reduzieren. Dieses Therapieschema umfasst die aufrechte Positionierung des Patienten, eine Hustenunterstützung und eine Therapie zur Stabilisierung des Lungenvolumens.

Als effektive zusätzliche Maßnahmen wurden ein Training der Atemmuskulatur, verschiedene Beatmungstechniken und der Einsatz von Bauchgurten vorgeschlagen. Für die Unterstützung des Hustenvorgangs wurden die Rückenmarkstimulation, eine mechanische In-Exsuffflation, eine Bronchoskopie, das regelmäßige intensive Absaugen und eine händische Hustenunterstützung vorgeschlagen (Berney u. a. 2010; Brown u. a. 2006).

Nachteile der vorgeschlagenen Systeme sind, das sie einen erheblichen instrumentellen (Bronchoskope, Beatmungsgeräte) und personellen Aufwand. (geschultes Personal) benötigen. Zusätzlich passen die bekannten technischen Unterstützungen (Absaugung, Beatmung mit Überdruck) sich nicht den physiologischen Prozessen an und können aus diesem Grund zu weiteren Komplikationen führen (Gefügelockerung Lungengewebe bei Überdruckbeatmung, Cough-Assist).

Es fehlt eine an der Atemphysiologie des Patienten orientierte Behandlungsoption, die ohne erheblichen technischen und personellen Aufwand in der Lage ist, im Rahmen von physiologischen Maßnahmen pulmonale Komplikationen zu vermindern und auf diesem Weg die Behandlungskosten zu minimieren.

Nach den bisherigen eigenen Untersuchungen scheint die abdominelle Stimulation der Bauchmuskulatur ein geeignetes Instrument zu sein, um die gestellten Forderungen nach einer physiologischen Unterstützung des Hustenvorgangs sowie ein Erhalt des Lungenvolumens zu erfüllen.

3.  Zielsetzung, Zielgruppe

In dem geplanten Forschungsprojekt soll ein automatisiertes System für die Stimulation der abdominellen Muskulatur entwickelt werden, das durch angelerntes Personal oder Angehörige bedient werden kann und in der Lage ist, physiologisch die Atem- und Hustentätigkeit von Rückenmarkpatienten zu unterstützen.

In einer sich anschließenden klinischen Studie soll der Stellenwert der abdominellen Stimulation bei Patienten mit einer akuten Querschnittlähmung in Höhe C4 – C8 geprüft werden. Die Stimulation soll für 90 Tage sowohl bei akut erkrankten Patienten auf der Intensivstation, als auch im Anschluss bei Patienten auf Normalstation erfolgen.

Ziele der abdominellen Stimulation sind:

eine Reduktion von pulmonalen Infekten und Pneumonien,
eine vermehrte Unabhängigkeit der Betroffenen von Betreuung,
eine Verkürzung des stationären Aufenthalts,
 • eine vermehrte Unabhängigkeit der Betroffenen von Betreuung,
 • eine Reduktion der Morbidität und Mortalität.

Jeder dieser Punkte würde zu einer deutlichen Reduktion der stationären und nachstationären Behandlungskosten führen.

4.  Methodik

In einer prospektiven Studie mit einer historischen Vergleichsgruppe soll die Wirkung einer elektrischen Stimulation der abdominellen Atemhilfsmuskulatur zur Unterstützung der Atmung und des Hustenstoßes bei der Behandlung von akuten Querschnittsverletzungen in Höhe des Halsmarkes C4-C8 überprüft werden.

Die in der geplanten Studie zu prüfenden Hypothesen lauten:

  1. Durch die regelmäßige unterstützende Stimulation der Abdominalmuskulatur  kommt es zu einer geringeren Rate an pulmonalen Komplikationen (Definition Pneumonie) während eines Untersuchungszeitraums von 3 Monaten.
  2. Durch die unterstützende Stimulation der abdominellen Atemhilfsmuskulatur kommt es zu
    1. einer kürzeren Dauer des Weaning (Stunden),
    2. einer Verringerung der Anzahl der Extubationsversuche,
    3. einer Verringerung der Anzahl an Tracheotomien,
    4. und der Liegedauer auf Intensivstation sowie
    5. einer Minimierung der Todesfälle.

Studiendesign

Es wird eine „proof-of-concept“ Studie geplant. Dabei wird zunächst ein Vergleich mit bekannten Pneumonieraten aus einer historischen Patientengruppe durchgeführt. Um die Zahl der einzuschließenden Patienten zu begrenzen, wird ein zweistufiges Simon-Design verwendet. In diesem Design wird in einer ersten Phase an einer kleinen Zahl von Patienten überprüft, ob die Erfolgsaussichten groß genug sind, um in die zweite Phase der Studie einzutreten.

Bei der Bestimmung der Fallzahl wird angenommen, dass es bei 70% der Patienten zu respiratorischen Komplikationen innerhalb der ersten 90 Tage kommt. Unter der therapeutischen Abdomenstimulation wird postuliert, dass dies nur bei 50% der Patienten der Fall ist. Das heißt, es werden „Erfolgsraten“ von 50% unter Stimulation und 30% unter Standardbehandlung verglichen. Unter Annahme eines Signifikanzniveaus von 5% (zweiseitig) und einer Power von 80% werden in der ersten Phase 15 Patienten benötigt. Um in die zweite Phase zu gehen, müssen in der ersten Phase mindestens 9 Patienten ohne respiratorische Komplikation beobachtet werden.

In die zweite Phase werden weitere 28 Patienten eingeschlossen. Insgesamt müssen mindestens 27 „Erfolge“, d.h. Patienten ohne respiratorische Komplikation beobachtet werden, um von einer erfolgreichen Behandlung ausgehen zu können. Der maximale Studienumfang ist durch 43 Patienten gegeben.

Für die primäre Zielgröße der Anteil der Patienten ohne Komplikation wird ein 95% Konfidenzintervall berichtet. Alle übrigen Auswertungen erfolgen explorativ entsprechend dem Skalenniveau.

Probanden

Einschlußkriterien

Männer und Frauner,
Lähmung SCI C4 – C8,
Lähmung nicht älter als 4 Wochen, wobei in dieser Zeit kein Extubationsversuch unternommen,
 • BMI < 35–,
 • –Alter 18-80 Jahre,
 • Intensivüberwachungspflicht,
 • Beatmungspflicht zu Beginn der Studie,
 • –Einwilligung durch den Patienten.

 Ausschlusskriterien

fehlende Einwilligung,
bekannte Lungenerkrankung (COPD >3°),
progressive Erkrankungen,
Unmöglichkeit abdominelle Elektroden zu platzieren,
Schwangerschaft,
Schrittmachern oder ähnliche Implantate die mit einer elektrischen Stimulation interferieren,
akute Pneumonie.

 

Studienablauf

Die geplante elektrische Stimulation wird zusätzlich zu der bisher üblichen Therapie, die ein Patient mit einer akuten Lähmung erhält, durchgeführt.

Stimulationsverfahren

Die Bedingungen für eine geregelte Stimulation der abdominellen Muskulatur wurden in verschiedenen Vorarbeiten erarbeitet.

In Zusammenarbeit mit der TU Berlin und der Universität Glasgow wurde das Stimulationssystem entwickelt und in Pilotstudien getestet
(H Gollee u. a. 2007; Henrik Gollee u. a. 2008; H. Gollee u. a. 2008).
Die technischen Voraussetzungen für die Steuerung bzw. Triggerung der Stimulation bei Patienten mit einem Tubus (Intubation, Tracheotomie) über Beatmungsgeräte auf der Intensivstation (Evita Infinity, Firma Dräger) und für Heimbeatmungsgeräte (Eliseé, Firma Börgel) wurden geschaffen.
 • Für eine geregelte Stimulation ohne Intubation wird ein Spirometer genutzt. Die Triggerung der Stimulation aus den Messwerten des Spirometers muss noch entwickelt werden.
 • In einer retrospektiven Untersuchung im Rahmen einer Promotion wurde das Weaning und die Notwendigkeit einer Tracheotomie bei tetra­plegischen Patienten im Unfallkrankenhaus Berlin untersucht (Seidl u. a. 2010).

 

Die elektrische Stimulation erfolgt wie beschrieben in Abhängigkeit von den Atemzyklen des Patienten. Die Intensität der abdominellen Stimulation wird an Hand des unter einer Stimulation zu erreichenden Ausatemvolumens ermittelt. Die Kalibrierung dieser Vorgänge soll automatisiert erfolgen.

Jeder Patient erhält im Rahmen der Studie einen Laptop mit einem Stimulator für den Studienzeitraum von 90 Tagen. Dies ermöglicht zum Einen eine Triggerung durch das Beatmungsgerät und zum Anderen eine Triggerung über ein Spirometer. Ist der Interventionszeitraum beendet werden die Geräte für einen weiteren Patienten genutzt.

Rekrutierung von Patienten

Die Selektion und Aufnahme der Patienten in die Studie erfolgt auf der Intensivstation. Mögliche Patienten werden durch den Arzt auf der Intensivstation auf die Aufnahmekriterien geprüft. Sind die Kriterien erfüllt erfolgt eine zweite Prüfung der Patienten durch den Studienarzt. Sehen beide Ärzte die Einschlusskriterien als erfüllt an (Vier-Augen-Prinzip) kann mit der Behandlung begonnen werden. Der betreuende Arzt auf der Intensivstation bemüht sich um die Einwilligung. Gibt der Patient oder sein Betreuer seine Zustimmung, so wird umgehend mit der Stimulation begonnen.

Lehnt der Patient die zusätzliche Stimulation im Rahmen der Studie ab sollen die Studienparameter erfasst werden um eine Kontrollgruppe zu bilden. Da davon auszu­gehen ist, dass die Anzahl sehr gering sein wird kann diese Gruppe nur zur Einzelfalldarstellung genutzt werden.

Stimulationsprogramm

Nach Erhalt der Einwilligung wird mit der begleitenden Stimulation begonnen. Die Stimulation erfolgt zusätzlich zu der bisher üblichen Therapie. Der Abstand zwischen dem Lähmungsereignis und dem Stimulationsbeginn sollte möglich gering sein.

Die funktionelle Elektrostimulation der Abdomenmuskulatur erfolgt über Klebeelektroden die am seitlichen und vorderen Abdomen angebracht werden (Elektrodenposition). Die Patienten sollen sich während der Stimulation in einer halbsitzenden Position befinden um eine zusätzliche Kompression des Abdomens zu erreichen und ein Ausweichen der Bauchdecken zu vermeiden. Um Komplikationen durch die Elektroden zu verhindern muss täglich auf Hautveränderungen durch die Stimulationselektroden geprüft werden. Die Stimulation besteht aus zwei Elementen:

Zu Beginn der Intervention erfolgt eine auf 20 Minuten begrenzte Unterstützung der Atmung durch eine Stimulation der geraden und schrägen Abdomenstimulation.
Wenn die Vigilanz des Patienten es zulässt erfolgt nach einer Pause von 5 Minuten zur Erholung des Patienten und der abdominellen Muskulatur der zweite Teil der Intervention. Der Patient wird aufgefordert zu husten um eine Reinigung der Bronchialwege zu erreichen. Das Husten wird durch eine abdominelle Stimulation unterstützt.

 

Abschließend wird der Patient wenn eine Trachealkanüle oder ein Tubus vorhanden ist abgesaugt. Die Sekretmenge wird erfasst.

Die Stimulation, die ca. 30 Minuten in Anspruch nimmt wird zwei Mal am Tag durchgeführt, zu Beginn des Tages (7-10 Uhr) und zu Beginn des Abends (16 – 19 Uhr). Die Stimulation wird von einem Stationsarzt überwacht. Während der Stimulation erfolgt eine Erfassung der Messparameter online durch das Stimulationssystem.

Die Patienten werden über einen Zeitraum von 90 Tage behandelt. Als Beginn der Behandlung wird der Zeitpunkt der ersten abdominellen Stimulation betrachtet, der Endpunkt tritt nach 90 Tagen ein. Diese Beschränkung ist den Bedingungen einer Behandlung von Rückenmarkpatienten geschuldet. Zum Einen ist dies die durchschnittliche Behandlungszeit von Kassenpatienten auf einer Station für Rückenmarkverletzte.

Datenerhebung und Nachuntersuchung der Patienten

Täglich erfolgt eine Kontrolle der Patienten durch den Studienarzt auf mögliche Zeichen einer pulmonalen Komplikation. Bei Verdacht werden die notwendigen Untersuchungen eingeleitet. Der Verdacht muss durch den klinischen Studienleiter bestätigt werden (Vier-Augen-Prinzip). Durch diesen erfolgen zusätzliche Stichprobenuntersuchungen.

Die Patienten werden nach Abschluss der Intervention weiter überwacht werden. Es folgen Kontrolluntersuchungen 3 und  6 Monate nach der letzten Intervention.

Ausschluss von Patienten

Während der Studie aus der Studie ausgeschlossen werden Patienten in folgenden Fällen:

jederzeit auf Wunsch des Patienten,
wenn unerwünschte Nebenwirkungen durch die Stimulation (kardial, zentral) auftreten,
bei Unterbrechung der Stimulation für mehr als 7 Tage unabhängig von den Gründen und Verlegung des Patienten in eine andere Klinik,
bei zusätzlichen Erkrankungen, die als Ausschlusskriterien für den Eingang in die Studie beschrieben wurden.

Qualitätssicherung

Die Patientenselektion findet im Vier-Augen-Prinzip statt und wird durch den Studienleiter oder seine Stellvertretung auditiert. Es erfolgen täglich durch den Studienarzt oder den behandelnden Arzt Untersuchungen auf pulmonale Komplikationen (siehe Anhang). Sollte ein Verdacht entstehen, muss dieser durch den klinischen Studienleiter bestätigt werden (Vier-Augen-Prinzip).

Die statistische Auswertung der Daten erfolgt durch einen unabhängigen Partner um eine Überschneidung der Interessen zu verhindern. Berechtigten Personen wird jederzeit Zugang zu den Rohdaten gewährt werden. Die Rules of Good Clinical Practice (GCP) finden Anwendung. Für die automatisierte Verarbeitung personenbezogener und personen­beziehbarer Daten wird eine Datei- und Verfahrensbeschreibung erstellt und diese dem behördlichen Datenschutzbeauftragten zu Überprüfung zur Verfügung gestellt.

Zielgruppe

Untersucht werden sollen akut an einer kompletten Lähmung des Rückenmarks (C4 – C8) erkrankte Patienten in einem Akutkrankenhaus.

Arbeitsschritte

AP1: Retrospektive Datenerhebung

In einer retrospektiven Untersuchung an Patienten, die am Zentrum für Rückenmarkverletzte des Unfallkrankenhauses Berlin behandelt wurden, werden die klinischen Daten erhoben, die als historischer Vergleich für die Stimulationsgruppe dienen. Die bisher vorliegenden Studien sind auf Patienten mit einer Lähmung bis C7 beschränkt, so dass eine erneute Erfassung notwendig ist. In diesem Arbeitsschritt soll eine Datenbank für die Erfassung der Parameter aufgebaut werden.

AP2: Entwicklung und Aufbau der Stimulationssysteme

Im Rahmen dieses Arbeitspakets sollen die Stimulationssysteme (für Intensivstation und Normalstation) vollständig entwickelt werden. Dabei kann auf umfangreiche Vorarbeiten der Antragsteller zurückgegriffen werden. Der Schwerpunkt dieses Arbeitspaketes liegt in der Entwicklung einer Benutzeroberfläche für die Einstellung der Stimulationsparameter, die Gerätekonfiguration, Messwerterfassung und Patientenverwaltung. Des Weiteren soll eine automatische Einstellung der Stimulationsintensitäten basierend auf der fortlaufenden Messung der Atemparameter realisiert werden. Die Arbeiten erfolgen durch einen wissenschaftlichen Mitarbeiter an der TU Berlin in enger Abstimmung mit dem UKB. Für die Entwicklung notwenige Probanden werden durch den Studienarzt rekrutiert und betreut.

AP3: Patientenrekrutierung und Stimulation

In dieser Phase sollen die Patienten für die Stimulation rekrutiert und der Stimulation zugeführt werden (Siehe Studienplanung). Die tägliche  Behandlung der Patienten und die Überwachung der Stimulation erfolgt durch die Stationsärzte der Intensivstation und des Zentrums für Rückenmarkverletzte und wird durch die Studienleiter auditiert. Die Datenerfassung erfolgt online. Die Betreuung der technischen Geräte erfolgt durch eine studentische Hilfskraft der TU Berlin. Die Supervision der Behandlung und die Datenerfassung erfolgt durch die Studienleitung und den Studienarzt.

AP4: Nachuntersuchung

Die Patienten mit einer Stimulation werden durch den Studienarzt 3 und 6 Monate nach Ende der Stimulation nachuntersucht. Besonderer Schwerpunkt ist dabei die Entwicklung der pulmonalen Parameter. Dabei werden klinische Parameter und Parameter der Atemphysiologie erfasst.

AP5: Auswertung

Die Auswertung der Daten im Rahmen der retrospektiven Studien, der Zwischenauswertung und nach Abschluss der Studie erfolgen in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für klinische Forschung am UKB. Die Zielparameter wurden im Rahmen der Studienhypothesen formuliert und sollen durch die retrospektive Studie verifiziert werden. Eine Zwischenauswertung erfolgt nach ca. 2 Jahren, wenn 15 Patienten untersucht wurden.

AP6: Veröffentlichung der Ergebnisse

Die Ergebnisse der einzelnen Forschungsschritte sollen in Fachzeitschriften zugänglich gemacht werden und auf Konferenzen präsentiert werden. Zur Veröffentlichung kommen sollen die Daten der retrospektiven Untersuchung, die Daten der Zwischenauswertung sowie die Ergebnisse der Gesamtstudie.

Meilenstein

Das Studiendesign sieht eine Zwischenauswertung nach 15 behandelten Patienten vor, die über den weiteren Verlauf entscheidet. Dieser Punkt ist unter Einberechnung der technischen Entwicklungszeit nach ca. 2 Jahren erreicht. Sollte kein positives Ergebnis erreicht werden, wird die Studie an diesem Punkt abgebrochen.

Ethikvotum

Für die Studie liegt ein positives Ethikvotum der Ethikkommision der Charité unter dem Zeichen EA1/211/10 vor.

Liste der zitierten Publikationen

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